Eine 3 jährige Patientin stellte sich mit seit 8 Tagen wiederkehrenden, starken Bauchschmerzen vor.
Sie hatte in den vergangenen 4 Tagen bereits zwei Mal die Kinderrettungsstelle aufgesucht, ein Urintest sowie eine Ultraschalluntersuchung des Bauches waren unauffällig. Mit Verdacht auf Verstopfung schickte man die Patientin mit einem abführenden Mittel (Macrogol) und Schmerzmitteln nach Hause. 2 Wochen vor dem aktuellen Ereignis hatte die Patientin Durchfall und Fieber über 2 Tage.
Die Patientin leidete insbesondere nachts unter Bauchschmerzen. Sie wachte ca. 2-3 x pro Nacht mit starken Schmerzen und laut Eltern hartem Bauch auf. Schmerzmittel wie Ibuprofen und Paracetamol brachten keine Besserung. Es bestand kein Fieber, kein Erbrechen, keine Durchfall, keine schleimig-/ oder blutigen Stühle. Zwischen den Ereignissen bestand schmerzfreiheit. Das Ess- und Trinkverhalten war unauffällig. Das Mädchen ist nach deutschen Empfehlungen bis auf die zweite Masern-, Mumps-, Röteln- und Windpockenimpfung vollständig geimpft. Auch die Rotavirenimpfung wurde als Baby durchgeführt.
Die körperliche Untersuchung zeigte ein aktives und fröhliches Kind. Der körperliche Untersuchungsbefund war unauffällig, insbesondere der Bauch war weich und tief eindrückbar, beim Abhören fielen lediglich gesteigerte Darmgeräusche auf.
Im Ultraschall zeigten sich reichlich stuhl- und flüssigkeitsgefüllte Darmschlingen sowie eine geringe Menge freie Flüssigkeit im rechten Unterbauch.
Es wurde der Verdacht auf eine Gastroenteritis, also Magen-Darminfektion gestellt. Es wurde eine PCR-Stuhluntersuchung auf darmpathogene Erreger eingeleitet, die einen positiven Befund für Rotaviren brachte. Somit bestätigte sich die Magen-Darminfektion.
Rotaviren werden über verschiedene Wege übertragen:
- kontaminiertes Wasser und Lebensmittel
- fäkal-orale Schmierinfektion
- Tröpfcheninfektion.
Die Viren sind sehr widerstandsfähig und können über Tage auf Oberflächen aktiv bleiben. Wenige Erreger reichen aus, um eine Infektion auszulösen. Andererseits scheiden infizierte Personen hohe Mengen aus.
Die Erkrankung ist in Europa in den Monaten Februar bis April besonders präsent. In westlichen Industrieländern erkranken vorwiegend Säuglinge und Kinder zwischen 6 Monaten und 2 Jahren; in Entwicklungsländern erkranken jährlich schätzungsweise mehr als 100 Millionen Kinder (meist unter fünf Jahren). Insgesamt haben 90 Prozent aller Kinder weltweit mindestens einmal eine Rotaviren-Infektion durchgemacht.
Da es verschiedene Typen gibt, können Kinder und Erwachsene mehrmals im Leben erkranken.
Die Inkubationszeit von Rotaviren beträgt ein bis drei Tage.
Die Infektion kann fast unbemerkt verlaufen, nur mit leichtem Durchfall, aber auch als schwere behandlungsbedürftige Erkrankung. Dann können Fieber und abdominelle Schmerzen auftreten.
Bei Säuglingen und Kleinkindern verlaufen Rotaviren in der Regel jedoch schwerer als andere Darmerkrankungen. Der meist plötzlich einsetzende, wässrige Durchfall wird anfangs oft von leicht erhöhter Temperatur und Erbrechen begleitet. In etwa der Hälfte der Fälle kommen Schnupfen oder Husten hinzu, selten ist das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen (Enzephalitis).
Üblicherweise dauert der Durchfall 5 Tage an, begleitet von Erbrechen über 2 Tage hinweg.
Säuglinge und Kleinkinder erkranken an Rotaviren im Durchschnitt schwerer als an anderen Durchfallerkrankungen.
Weil bei einer Rotaviren-Infektion Erbrechen häufig zusammen mit Durchfall auftritt, ist es oft schwer, den Erkrankten rechtzeitig ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen. Dies gilt ganz besonders für Säuglinge und Kleinkinder – sie trocknen besonders schnell aus.
In Industrieländern mit ihrer guten Ernährungslage und guten medizinischen Versorgung sind schwere Komplikationen oder gar Todesfälle sehr selten. Dennoch muss immerhin etwa die Hälfte aller Kinder bis 5 Jahren mit einer Rotavirus-Infektion im Krankenhaus behandelt werden.
Weltweit wird die jährliche Anzahl der Todesfälle durch Rotaviren-Infektionen bei Kindern bis zu einem Alter von 5 Jahren auf 440.000 bis 600.000 Todesfälle geschätzt!
Die Diagnose kann durch einen Nachweis der Viren im Stuhl erfolgen.
Eine kausale Therapie gibt es nicht. Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern besteht die Gefahr einer raschen Dehydration. Deshalb sind häufig Krankenhauseinweisungen notwendig, um die kleinen Patienten mit Flüssigkeit über die Vene zu versorgen
Seit 2013 gibt es in Deutschland eine wirksame Schluckimpfung mit einem oralen Lebendimpfstoff. Sie ist für Säuglinge ab der 6. Lebenswoche bis zum 6. Lebensmonat vorgesehen.
Nach einer vollständigen Impfung kann mit einer Schutzdauer von zwei bis drei Jahren gerechnet werden.
Allgemeinreaktionen auf die Impfung wie Reizbarkeit, Schlafstörungen und Müdigkeit,
Fieber, Appetitverlust, Durchfall, Erbrechen, abdominale Symptome, Hautausschlag, Schreien und in Einzelfällen Mittelohrentzündungen und Atemnot können vorkommen.
Ein schwerwiegender Verlauf, der im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung beobachteten Symptome, wurde selten berichtet. Zu vermerken ist, dass die meisten dieser Symptome nicht nur bei Impflingen, sondern auch bei Kontrollpersonen, die Placebo erhalten hatten, in annähernd gleicher Größenordnung auftraten.
In der Regel sind die genannten Allgemeinreaktionen vorübergehender Natur und klingen rasch und folgenlos wieder ab.
Daten deuten darauf hin, dass Säuglinge nach einer Rotavirusimpfung ein geringfügig erhöhtes Risiko für Darminvaginationen haben. Es handelt es sich hierbei um eine Darmeinstülpung in den nachfolgenden Darmabschnitt, mit Risiko des Darmverschlusses und der Gefäßabschnürung. Manchmal löst sich die Einstülpung von selbst, manchmal kann man sie durch einem Darmeinlauf lösen, manchmal muss der betroffene Darmabschnitt aber auch chirurgisch entfernt werden. Kommt es zu einer Invagination, liegt das Risiko für Rezidive in der nächsten Woche bei 15 %.
Jedoch tritt eine Invagination wesentlich häufiger bei einer echten Rotavirenerkrankung auf, so dass geimpfte Säuglinge im Verlauf vor einer Invagination geschützt werden.
Die oben genannte Patientin erholte sich vollständig von ihren Bauchschmerzen.
Dr. med. Laura Schrörs – Kinderarzt und Jugendmedizin